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Osterfest 2020

Auferstehung ins Leben vor dem Tod

Predigt zu 1. Samuel 2, 1+6 von Pfarrer Hans-Jürgen Kopkow zu Ostern 2020

An einem Tag wie diesem feiern wir den Sieg des Lebens – auch und gerade angesichts der Bedrohung durch das Corona-Virus. Und das ist gut so.

Zu Ostern feiern wir, dass Christus nicht im Tod blieb. Er ist durch den Tod hindurch in ein neues Leben auferstanden. Seine Auferstehung ist der Grund für unseren Glauben an unsere eigene Auferstehung, also die Auferstehung der Toten.

Und so glauben wir, dass es auch uns möglich ist, wie er den Tod zu überwinden, durch den Tod hindurch in eine neue Existenz jenseits des Todes zu gelangen.

So gehen unsere Gedanken vom Karfreitag zu Ostern, vom Tod zum Leben, vom Dunkel zum Licht, von der Nacht zum Tag, vom Ende zum Anfang.

In meiner Vorbereitung auf dieses Ostern bin ich auf einen Text aus dem Alten Testament gestoßen, der vor 3000 Jahren, also noch gut tausend Jahre vor Christi Auferstehung entstanden ist.

Im 2. Kapitel des ersten Samuelbuches heißt es:

„Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Ich freue mich deines Heils. Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf.“

1. Samuel 2, 1+6

Was war dem vorausgegangen? – Eine lange leidvolle Geschichte. Denn Hanna war über viele Jahre kinderlos geblieben, was in der damaligen Zeit eine echte Katastrophe war.

Denn Kinderlosigkeit bedeutete für Frauen dieser Zeit in etwa das gleiche wie heute Arbeitslosigkeit: Die Altersversorgung war nicht gesichert. Soziale Anerkennung wurde Kinderlosen nicht zuteil. Und so wurden solche Frauen von der Frage nach dem Sinn ihres Lebens bedrängt.

Von daher ist sicher nicht verwunderlich, dass die kinderlose Hanna sich wie tot fühlte, wie vom Leben abgeschnitten, wie lebendig begraben. Und es hätte ihr durchaus wie vielen anderen passieren können, dass sie über ihrem Schicksal verbittert wäre.

Aber in ihrem Schmerz und in ihrer unerfüllten Sehnsucht nach Leben blieb sie offen, offen für Gott. Sie bewahrte sich ihren Glauben und blieb für die Erfahrung neuen Lebens zugänglich.

Sie verstummte nicht. Sie schüttete ihr Herz vor Gott aus. Sie traute Gott einen Neuanfang zu. In ihrer Not flehte sie zu Gott. Und dann legte sie ein Gelübde ab. Sollte sie doch noch ein Kind bekommen, würde sie es Gott weihen. Von Gott erbeten, sollte es Gott zurückgegeben werden, um ihm dienen zu können.

Es kam, wie es kommen musste. Hanna wurde schwanger. Und sie bekam einen Sohn. Natürlich. Diese Geschichte würde ja keine Erwähnung in der Bibel gefunden haben, wenn Hanna ihr Gelübde nicht gehalten hätte.

Aber genau das tat sie. Nachdem sie ihren Sohn, den späteren Propheten Samuel, abgestillt hatte, brachte sie ihn ins Heiligtum. 

Und dort stimmte sie dieses Loblied an:

Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Ich freue mich deines Heils. Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf.“

Man spürt ihr ab: Sie kann nicht anders, als Gott zu loben, der auf der Seite des Lebens steht und darum besonders auf der Seite derer, die im Schatten des Todes nicht wirklich leben können.

Sie hatte Gottes Leben schaffende Macht am eigenen Leib erfahren. Sie hatte sich als „so-gut-wie-tot“ erlebt.

Und dann das. Sie lebte. Sie lebte auf. Sie fühlte sich wie neugeboren. Sie genoss dies Gefühl von Lebendigkeit.

Ihr Loblied war nun nicht nur ein ganz persönliches Danke an den, dessen Leben schaffende Macht sie erleben durfte. Nein. Es war für alle ein Zeichen der Hoffnung auf Leben.

Und wir? Können wir in Hannas Loblied einstimmen? Können wir in dieses Lied einstimmen:

„Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf.“

Manche von uns werden ohne zu zögern einstimmen, weil sie ähnliches schon erlebt haben, unabhängig von der momentanen Krise oder gerade jetzt.

Andere, vor allem die, die meinen, im Schatten des Todes zu sitzen, die zur Risikogruppe gehören, Angst haben, schwer krank zu werden, die werden zögern.

Es werden nicht die Worte „Der HERR macht lebendig“ sein, die Schwierigkeiten machen. Es sind die Worte. „Der HERR tötet und führt hinab zu den Toten.“

Wer hätte nicht Angst ums eigene Leben, das Leben seiner Lieben?

Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Ich freue mich deines Heils. Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf.“

So etwas kann einem nur aufgrund eigener Erfahrung über die Lippen kommen. So etwas gilt nicht für alle und immer. Wer so etwas angesichts der eigenen Not sagt, der hält daran fest, dass sein Gott nicht in weiter Ferne weilt, sondern ihm gerade auch in seiner großen Not und Todesangst ganz nahe ist. 

Natürlich bleibt bis zuletzt die Hoffnung, dass der HERR nicht tötet und hinabführt zu den Toten, sondern lebendig sein lässt. 

Von der Auferweckung Christi her beziehen wir die Worte Hannas zu Ostern auf die Auferstehung nach dem Tod. Das schwingt für uns natürlich immer mit.

Warum sollte wir in ihren Worten nicht eine Art Prophetie sehen, eine Vision dessen, was eben erst viel später mit Christus sichtbare Wirklichkeit wurde.

Aber um die Auferstehung der Toten zu einem Dasein nach dem Tod ging es bei Hanna noch nicht. So ein nachösterlicher Blick auf den Tod und die Auferstehung war Hanna 1000 Jahre vor Christus noch nicht möglich.

Deswegen brauchen wir darauf natürlich nicht zu verzichten. Wir dürfen Hannas Lied getrost christlich hören und verstehen.

Aber das, was Hanna sagte, muss natürlich auch einen Sinn ergeben, der sich aus der Situation der Hanna ergibt.

Wie also konnte Hanna das verstanden haben, wenn es hier nicht um die Auferstehung der Toten nach dem Tod ging?

Eigentlich ganz einfach: Es ging ihr um die Auferstehung beziehungsweise Auferweckung zu einem neuen Leben vor dem Tod. Und damit macht sie jeden von uns angesichts des Todes Hoffnung auf Leben hier und jetzt.

Für Hanna begann die Hoffnung in dem Moment, in dem sie sich in ihrer Verzweiflung, aber voller Hoffnung an Gott wandte. Indem sie sich mit ihrem Gebet an Gott wandte, veränderte sich ihre Situation.

Es war, als würde sie auferweckt zu einem Leben, das auf Gott ausgerichtet war. Wohl wahr: „Der Herr macht lebendig.“

Und auch das kennen wir. Manchmal haben wir von uns selbst oder anderen den Eindruck, lebendig tot zu sein. Es kann einem ja kaum etwas Schlimmeres passieren, als lebendig und doch irgendwie tot zu sein.

Und gibt es etwas Schöneres, als wieder lebendig zu werden? Ist es nicht wunderbar, wenn man sich wie neugeboren fühlt, wenn man sich wieder lebendig fühlt.

Das kann sehr unterschiedlich aussehen, das „Lebendig-Tot-Sein“ und das „Wieder-Lebendig-Sein“.

Es ist keineswegs übertrieben, wenn man in so einem Zusammenhang von Auferstehung spricht. Es gibt sie wirklich, die Auferstehung vor dem Tod, die Auferstehung ins Leben.

Marie Luise Kaschnitz (1901-1974) sagte es einmal so:

„Manchmal stehen wir auf, stehen wir zur Auferstehung auf mitten am Tage mit unserem lebendigen Haar, mit unserer atmenden Haut...“

Auf bildliche Art und Weise veranschaulicht folgende kleine Parabel vom „Leben nach der Geburt“ sowohl die Auferstehung ins Leben vor dem Tod als auch die Auferstehung zum Leben nach dem Tod:

Parabel vom „Leben nach der Geburt“


Im Bauch einer schwangeren Frau unterhalten sich drei Embryos. Einer ist der kleine Gläubige, einer der klei­ne Zweifler und, einer der kleine Skeptiker.

Der kleine Zweifler fragt: „Glaubt ihr eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“

Darauf der kleine Gläubige: „Klar gibt es das. Deshalb sollen wir jetzt einfach wachsen und uns auf das Leben nach der Geburt vorbereiten. Wir müssen stark werden für das, was danach kommt.“

Der kleine Skeptiker widerspricht: „So ein Quatsch! Wie sollte das denn aussehen, ein Leben nach der Ge­burt?“

Der kleine Gläubige: „So genau weiß ich das auch nicht. Aber bestimmt wird es heller sein als hier. Und viel­leicht werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen.“

Der kleine Skeptiker: „Unsinn! He­rumlaufen! Das geht doch gar nicht. Und mit dem Mund essen! Wie stellst du dir das vor? Wir werden doch durch unsere Nabelschnur ernährt. Und sie ist viel zu kurz, um damit he­rumzulaufen!“

Der kleine Gläubige: „Doch, doch, das geht bestimmt. Es wird eben alles ein bisschen anders sein.“

Der kleine Skeptiker: „Es ist noch nie einer zurückgekommen nach der Geburt. Deshalb denke ich, mit der Geburt ist das Leben zu Ende. Dieses Leben hier ist sowieso eine Quälerei. Es ist mir viel zu dunkel.“

Der kleine Gläubige: „Auch wenn ich nicht genau weiß, wie es nach der Geburt sein wird, so bin ich mir si­cher, dass wir unsere Mutter sehen und dass sie für uns sorgen wird.“

Der kleine Skeptiker: „Mutter?! Du glaubst an eine Mutter? Wo ist die denn bitte schön?“

Der kleine Gläubige: „Na, hier, überall — um uns herum! Wir sind in ihr und wir leben von ihr und durch sie. Ohne unsere Mutter könnten wir gar nicht sein.“

Der kleine Skeptiker: „So ein Quatsch! Wenn es wirklich eine Mut­ter gäbe, dann hätte ich das schon bemerkt.“

Der kleine Gläubige: „Manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören oder spüren, wie sie un­sere Welt streichelt. Angenommen, es gäbe wirklich ein Leben nach der Geburt, würde dann der kleine Skeptiker bestraft, weil er nicht geglaubt hat?“

Darauf antwortet der kleine Gläubi­ge: „Das weiß ich nicht. Doch kann ich mir denken, dass er vielleicht ei­nen kleinen Klaps braucht, dass er seine Augen aufmacht und damit sein neues Leben beginnen kann.“

Wie diese Mutter um all ihre Kinder und bei all ihren Kindern ist, vor und nach der Geburt, so ist Gott um und bei all seinen Menschenkindern, vor und nach dem Tod. Tröstlich.

Amen.

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Predigttext

1. Samuel 2, 1+6

„Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Ich freue mich deines Heils. Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf.“


Ostersonntag

Statt Osternacht

Osterspaziergang im Morgengrauen

Hausgottesdienst zum Ostersonntag, 12. April 2020

Vorschlag für Texte und Gebete

Predigt von Hans-Jürgen Kopkow