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05.07.2016 Kategorie: Markus-Gemeinde

Eine Glaubensgeschichte

Zwei alte Herren im Flur

Zwei alte Herren schlurfen über den Flur. Der eine geht schwer, aber aufrecht. Der andere geht schlecht, stützt sich auf seinen Nachbarn. Sie sind fein gekleidet. Sich gehen lassen, geht nicht. Man muss was aus sich machen, auch wenn niemand hinsieht. Bald erreichen sie den Ort, an den sie wollen. Als sie durch die Tür gehen und einer beinahe ausrutscht, sagt der andere zu ihm: „Du könntest dir endlich mal ein Stock kaufen!“ Der andere lacht und antwortet: „Ich brauch’ keinen Stock; ich hab’ doch dich!“ Einer trage des andern Last, so schlurfen sie durch die Gänge. So soll es sein. Sollte es sein. Wenn da nicht ein Problem wäre. Er könnte alleine, der eine alte Herr. Wenn er wollte. Aber nein: Er verlässt sich. Legt seine Last auf den anderen. Der ist ja da. Will aber vielleicht gar nicht. Oder nicht immer. Er trägt selber nicht leicht an sich und soll des anderen Last mittragen. So ist das nicht gemeint: „Einer trage des andern Last.“ Man soll da nicht faul werden mit sich; nicht nachlässig. Man soll sich nicht einfach verlassen, wenn man noch selbst könnte. Es ist ein schmaler Grat zwischen Brauchen und Ausnutzen. Bequemlichkeit ist keine Ausrede. „Ich brauch’ keinen Stock, ich hab’ doch dich!“ Das klingt nach einer Ausrede. Nach Bequemlichkeit am falschen Platz. Man soll aber niemandem auferlegen, wozu man selber nur keine Lust hat. Oder sich zu fein ist, zu stolz ist vielleicht. Das ist nicht christlich. Der alte Herr ohne Stock braucht jetzt einen, der ihm einfach den Stock in die Hand drückt. Das ist vielleicht nicht schön für ihn, aber nötig. Und zu dem Stock, der ihn stützt, noch ein kleiner Satz, der ihm hilft: Man überlege genau, bevor man seine Last auf andere ablädt. Und frage sich, ob man sie nicht auch selber tragen kann.
Gehstock

Gehstock
Symbolfoto: stevepb / pixabay.com