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02.02.2015 Kategorie: Markus-Gemeinde

Darf Satire wirklich alles?

Ein Kommentar von Harald Bartling, Pfarrer in Mascherode

„Was darf die Satire? Alles." So schrieb Kurt Tucholsky 1919. Ein Satz, der im Zusammenhang mit dem Tod von zwölf Redakteuren des Satire-Magazins „Charlie Hebdo" viel zitiert wurde. Ich finde es an der Zeit, diesen Satz einmal kritisch zu überdenken. Natürlich ist der Mord an zwölf Menschen völlig inakzeptabel. Und natürlich ist die Pressefreiheit ein hohes Gut. Sie verlangt aber von denen, die die öffentliche Meinung prägen, auch ein hohes Verantwortungsgefühl. Dazu gehört, dass man die Wirkung einschätzt, die man auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen hat. Wenn man zum Beispiel weiß, dass der Islam jede Darstellung Mohammeds strikt verbietet, kann man sich vorstellen, wie verletzend es für Muslime (sogar für liberale) ist, wenn ein Satiremagazin fortlaufend Karikaturen ihres Propheten abdruckt, teilweise auf niedrigstem Niveau. Wer das tut, ist nicht mutig, sondern unverantwortlich, denn er provoziert eine Gruppe, die für mörderische Reaktionen bekannt ist. Was darf Satire? Wirklich alles?  Hätte Tucholsky auch die Karikaturen gutgeheißen, mit denen der „Stürmer" die Juden als Untermenschen darstellte? Dürfte man auch über die Opfer von Paris spotten?
„Alles ist mir erlaubt. Aber nicht alles dient zum Guten.“
(1.Korinther 6,12)

Es wäre gut, sich an dieser Stelle an Paulus zu orientieren: Alles ist erlaubt. Die Freiheit der Presse, der Massenmedien, der Satire soll nicht eingeschränkt werden, auch nicht aus Angst vor radikalen Muslimen. Wir haben eine liberale Tradition, die wir nicht zuletzt unserer eigenen Religion verdanken und die wir nicht aufgeben wollen. Aber unsere Tradition und unser Glaube verpflichten uns auch dazu, Rücksicht auf unsere Mitmenschen zu nehmen, selbst auf die, die einen anderen Glauben haben, und sie nicht in ihren religiösen Gefühlen zu verletzen. Nicht alles, was man abdrucken und auf den Bildschirm bringen kann, dient zum Guten, vieles bewirkt auch tiefen Unfrieden. Und das Grundgesetz schützt nicht nur die Meinungs- und Pressefreiheit, sie schützt auch die Freiheit des Glaubens und der ungestörten Religionsausübung. Übrigens auch die unseres eigenen Glaubens.

Kurt Tucholsky