Unsere Pilgerreise durchs Heilige Land führte uns nach Nablus. Längs der Hauptstraße pulsierte das Leben. Autos hupten, Händler gestikulierten, Kinder rannten umher. Endlich erreichten wir unser Ziel. Der Bus hielt vor einer Mauer. In einer offenen Tür stand erwartungsvoll ein Priester. Er winkte uns herein. Ruhe umfing uns. Treppenstufen führten uns Meter um Meter hinab. Schon ging es durch die griechisch-orthodoxe Kirche. Ikonenglanz umfing uns. Vorn im Altarbereich ging es noch einmal viele Meter in die Tiefe. Da war er: der Jakobsbrunnen.
Der Priester demonstrierte uns, wie tief dieser Brunnen ist. Wir ließen einen Eimer in die Tiefe hinab. Es dauerte, bis er gefüllt wieder oben war. Und dann tranken wir das klare und frische Wasser von ganz weit unten. Es schmeckte. Und es machte noch etwas. Es schaffte eine Verbindung - nicht nur zur Wasserquelle in der Tiefe, sondern zur Geschichte von damals.
Der Überlieferung (Johannes 4) zufolge hatte sich Jesus hier von einer Frau Wasser geben lassen. Für einen Moment fühlte ich mich zurück versetzt in jene Zeit, als Jesus an diesem Brunnen saß. Und ich hörte in mir, wie er sagte: „Wer vom Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten…“ Was für ein Angebot. Wer wünschte sich nicht etwas, das den Lebensdurst für immer stillt? Wer wollte da nicht wie jene Frau sagen: „Gib mir…“
Ich werde wohl noch öfter in Gedanken an diesen Brunnen zurückkehren. Es reicht nicht, an der Oberfläche zu bleiben. Man muss der Geschichte schon auf den Grund gehen. Nur so stößt man auf die Quellen in der Tiefe.

Der Jakobsbrunnen in Nablus. Das Schöpfgefäß muss etwa 30 Meter in den Brunnenschacht gelassen werden, um erfrischendes Wasser aus der Quelle trinken zu können.
Foto: Hans-Jürgen Kopkow