Der Düsseldorfer Theologe Ulrich Lilie (56) ist neuer Präsident der bundesweiten Diakonie. Am Freitag stimmte die Konferenz für Diakonie und Entwicklung seiner Wahl zu. Im Gespräch mit Bettina Markmeyer vom Evangelischen Pressedienst (epd) verrät er, wo er die ersten Schwerpunkte im neuen Amt setzen will. Amtsantritt ist am 1. Juli.
epd: Herr Lilie, Sie haben als Pfarrer im Krankenhaus und Hospiz gearbeitet und zuletzt eine der traditionsreichen diakonischen Einrichtungen, die Graf-Recke-Stiftung in Düsseldorf, geleitet. Wo wollen Sie als Präsident des Bundesverbandes der Diakonie politische Akzente setzen?
Ulrich Lilie: Wir brauchen dringend überzeugende Antworten auf die zunehmende Armut und Ungleichheit in einem reichen Land. Dass etwa jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut bedroht ist, dürfen wir nicht hinnehmen. Das Recht auf Bildung und Arbeit darf keine Frage der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht oder gar einem bestimmten Geschlecht bleiben. Geschlechtergerechtigkeit, aber auch die gewaltigen Herausforderungen des demografischen Wandels fordern größte Anstrengungen. Wir benötigen neue Konzepte und Versorgungsstrukturen, die wieder verstärkt auf nachbarschaftliche Hilfe und bürgerschaftliches Engagement setzen müssen. Wir brauchen eine neue Kultur des Hinsehens und der Bereitschaft zur Hilfe in unserem Land.
epd: Was erwarten Sie von der Pflegereform, die die schwarz-rote Koalition angekündigt hat?
Lilie: Die Situation in der Altenpflege ist nach wie vor kritisch. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt. Fachkräfte für die Pflege werden dringend gesucht. Pflegende Angehörige fühlen sich nicht ausreichend unterstützt. Die Arbeit der Pflegekräfte wird zu wenig wertgeschätzt. Die Pflege ist chronisch unterfinanziert. Wir erwarten von der großen Koalition, dass sie schnellstmöglich die Rahmenbedingungen für die Pflege verbessert. Die beabsichtigten Beitragserhöhungen für die Pflegeversicherung, die bezahlte Auszeit für Angehörige, um Pflege zu organisieren oder der geplante Abbau von Bürokratie bei der Pflegedokumentation sind Schritte in die richtige Richtung, die wir begrüßen. Offen bleibt für mich allerdings, warum der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff - der vor allem den Demenzkranken zugute käme - nicht sofort mit der ersten Reformstufe eingeführt wird.
epd: Welches sind die größten Herausforderungen für die Wohlfahrtspflege?
Lilie: Der politisch gewollte Wettbewerb bei den sozialen Dienstleistungen hat die Wohlfahrtspflege dramatisch verändert. Wir müssen unsere Angebote unter Marktbedingungen und nach öffentlicher Ausschreibung erbringen. Bei der Vergabe setzen sich zunehmend Kostensenkungsargumente gegen die Sicherung der Qualität durch. Das Billigste ist aber oft der Feind des Besten. Wenn nur noch der Markt entscheidet, bleibt am Ende die Qualität auf der Strecke. Eine weitere Herausforderung ist die soziale Balance in Europa. Die drastische Sparpolitik in einigen Ländern verhindert Investitionen in das Gemeinwesen. Für ein soziales und gerechtes Europa sind leistungsfähige Sozialschutzsysteme, faire und gute Arbeit und die öffentliche Daseinsvorsorge für alle Bürger enorm wichtig. Die Globalisierung der sozialen Frage ist eine Herausforderung, auf die wir auch die intensivere Zusammenarbeit von Diakonie und evangelischer Entwicklungsarbeit unter einem Dach antworten.
epd/GB
epd: Herr Lilie, Sie haben als Pfarrer im Krankenhaus und Hospiz gearbeitet und zuletzt eine der traditionsreichen diakonischen Einrichtungen, die Graf-Recke-Stiftung in Düsseldorf, geleitet. Wo wollen Sie als Präsident des Bundesverbandes der Diakonie politische Akzente setzen?
Ulrich Lilie: Wir brauchen dringend überzeugende Antworten auf die zunehmende Armut und Ungleichheit in einem reichen Land. Dass etwa jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut bedroht ist, dürfen wir nicht hinnehmen. Das Recht auf Bildung und Arbeit darf keine Frage der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht oder gar einem bestimmten Geschlecht bleiben. Geschlechtergerechtigkeit, aber auch die gewaltigen Herausforderungen des demografischen Wandels fordern größte Anstrengungen. Wir benötigen neue Konzepte und Versorgungsstrukturen, die wieder verstärkt auf nachbarschaftliche Hilfe und bürgerschaftliches Engagement setzen müssen. Wir brauchen eine neue Kultur des Hinsehens und der Bereitschaft zur Hilfe in unserem Land.
epd: Was erwarten Sie von der Pflegereform, die die schwarz-rote Koalition angekündigt hat?
Lilie: Die Situation in der Altenpflege ist nach wie vor kritisch. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt. Fachkräfte für die Pflege werden dringend gesucht. Pflegende Angehörige fühlen sich nicht ausreichend unterstützt. Die Arbeit der Pflegekräfte wird zu wenig wertgeschätzt. Die Pflege ist chronisch unterfinanziert. Wir erwarten von der großen Koalition, dass sie schnellstmöglich die Rahmenbedingungen für die Pflege verbessert. Die beabsichtigten Beitragserhöhungen für die Pflegeversicherung, die bezahlte Auszeit für Angehörige, um Pflege zu organisieren oder der geplante Abbau von Bürokratie bei der Pflegedokumentation sind Schritte in die richtige Richtung, die wir begrüßen. Offen bleibt für mich allerdings, warum der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff - der vor allem den Demenzkranken zugute käme - nicht sofort mit der ersten Reformstufe eingeführt wird.
epd: Welches sind die größten Herausforderungen für die Wohlfahrtspflege?
Lilie: Der politisch gewollte Wettbewerb bei den sozialen Dienstleistungen hat die Wohlfahrtspflege dramatisch verändert. Wir müssen unsere Angebote unter Marktbedingungen und nach öffentlicher Ausschreibung erbringen. Bei der Vergabe setzen sich zunehmend Kostensenkungsargumente gegen die Sicherung der Qualität durch. Das Billigste ist aber oft der Feind des Besten. Wenn nur noch der Markt entscheidet, bleibt am Ende die Qualität auf der Strecke. Eine weitere Herausforderung ist die soziale Balance in Europa. Die drastische Sparpolitik in einigen Ländern verhindert Investitionen in das Gemeinwesen. Für ein soziales und gerechtes Europa sind leistungsfähige Sozialschutzsysteme, faire und gute Arbeit und die öffentliche Daseinsvorsorge für alle Bürger enorm wichtig. Die Globalisierung der sozialen Frage ist eine Herausforderung, auf die wir auch die intensivere Zusammenarbeit von Diakonie und evangelischer Entwicklungsarbeit unter einem Dach antworten.
epd/GB